Im entlegenen Vorarlberg, ungestört von den Metropolen, gelingt es dem Kunsthaus Bregenz immer wieder, einzigartige Ausstellungen zu verwirklichen und manchmal glückt außerordentliches – Bunny Rogers (*1990 Houston, Texas) quartiert Tod und Trauerrituale sensibel in die Räume ein. Die hauseigene sakrale Atmosphäre heißt die Installationen willkommen, in dieser gelungenen Umarmung durchzieht sanfte Melancholie die Stockwerke.

Im verdunkelten Erdgeschoss erhebt sich ein großer Grabhügel mit Blumen, Erinnerungsbildern und Plüschtieren dekoriert auf der verlegten natürlichen Wiese. Das Porträt der Künstlerin auf einer Staffelei verweist auf ihre persönliche Todessituation. Der Wunsch, dem bitteren Todesgedanken eine versöhnliche Note beizumischen, mag jedem vertraut sein, Rogers Arbeit kennzeichnet dieser poetische Gedanke. Der ständige Begleiter jeden Lebens soll nicht nur sachliches Wissen sein, dem Tod steht eine sentimentale Aufnahmebereitschaft zu. Erst im Laufe des Daseins gewinnt ein jeder seine persönliche Einsicht in den Verlust. Bunny Rogers weist auf diese komplexe Disposition. Sie hinterfragt die individuelle und kollektive Trauer unserer medialen Zeit. Der intensive Rollrasengeruch, vertraut aus Gartenmärkten, lässt auch pragmatische Überlegungen zu – wären die amerikanischen Rasengräber auch für hiesige Bestattungsmodelle übertragbar? Kirchliche Rituale schwinden, die Grabpflege überlastet oftmals die Angehörigen; neue Begräbnisformen sind gefordert. Wie sollen und wollen wir in Zukunft Trauer und den Schmerz bewältigen? Es schleicht sich Beklommenheit und persönliche Unsicherheit bei dem Ausstellungsbesuch ein, gibt es überhaupt ein richtiges Trauern?
Der Tod von Lady Diana, den Bunny Rogers seinerzeit in den Medien verfolgte, die übersteigerte Trauer, die der Tod von Diana weltweit auslöste, war ein Impuls, sich mit der Problematik zu beschäftigen. Die massenhaften Beerdigungsrituale und Trauerbekundungen, die sich in der Bevölkerung freisetzen, brachten neue Bewegung in Gang. So folgt im ersten Stock die Partykultur für einen Verstorbenen. Tageslichthell breitet sich die Rasenlandschaft aus, übersäht mit den Resten und dem Müll eines vergangenen Festes, schwarze Rosen, schlaffe Luftballons. Noch einmal eine große Feier für alle, die Lebenden und die Toten; laut und vital sagt man Goodbye.
Der Schulamoklauf Columbine 1999, bei dem zwei Schüler zwölf Menschen töteten und viele schwer Verletzte zurückließen, greift Rogers in ihren Arbeiten wiederholt auf. In Bregenz rückt sie im zweiten Stock die Erinnerungskultur ins Zentrum. Bei dem Versuch einer Trauerbewältigung presst sie gelbe Rosen in Steinstelen – sie erinnern an das Schöne eines Menschen, die Pappsärge, die in der Ecke wie willkürlich übereinander aufgetürmt sind, an den Verlust der Körperlichkeit. An den Wände stehen Bauzäune, Drahtgitterelemente, in die Segmente sind Bänder eingeflochten.





Bunny Rogers wählte für diese Erinnerungsgeste die unterschiedlichsten Materialien aus, feiner Samt und Seide und schlichte Materialien wie Baumwolle, Kunststoff und Plastik und variiert in den Farben. In einer abgelegenen Ecke findet sich eine Anhäufung lavendelfarbenen Satinbandes, ein melancholisches mildes Zeichen. Bänder sind für Rogers etwas besonders Schönes, eine feine sanfte Geste etwas herauszuheben und zu betonen, eine Veredelung, mit der auch ein einfaches Geschenk für den Empfänger verziert wird.



Im obersten Stockwerk nun der überraschende Wechsel, ein gefliester kompakter Saal. Die Wände umzieht ein unregelmäßiges Muster in gelben und weißen versetztes Fliesen, das in einem stylischen Flow den Raum umzieht. Die Duschköpfe an den Wänden definieren die überdimensionale Gemeinschaftsdusche, in der man sich als Individuum leicht isoliert und alleine fühlt. Sanft tröpfelt Wasser abwechselnd aus unterschiedlichen Duschen. Straßenkleidung und Schuhe der Besucher wirken leicht deplaciert und bei dem Gedanken, hier unbekleidet in dieser riesigen ungeschützten Räumlichkeit in Gesellschaft ein Duschbad zu nehmen, fühlt man sich eher unbehaglich. Die große schöne Schneeflocke im Fußbodenmosaik unterstreicht das Frösteln. Vermeintlich gemeinschaftliche Schutzräume wandeln ihre Ausstrahlung, wenn ein Ereignis wie das Schulmassaker darin stattgefunden hat. Im symbolischen Schmelzen und dem langsamen Lauf des Wassers liegt auch ein versöhnlicher Wandel; Verlust und Erneuerung können auch zu einer Reinigung und Entspannung führen. Dieses Kunsthausprojekt zeigt die Verletzlichkeit der Künstlerin und unserer Welt. Das Unbewusste soll bewusst gemacht werden und gleitet dennoch nicht ins Jenseits, sondern gedenkt der Nachwelt.
Kind Kingdom 18.01- 13.04. 2020
