Die üppig bunte Welt der Joana Vasconcelos in Strasbourg

Noch bis zum 17. Februar bietet sich die Gelegenheit, die großartigen und mit Finesse konstruierten Installationen von Joana Vasconcelos im Musée d’Art moderne et contemporain zu erleben. In dieser riesigen Show arrangiert die Künstlerin ihre fantastischen Objekte zu einer lustvoll farbenfrohen Welt. Die Anziehungskraft ihrer Werke dirigiert durch dieses Märchenland auf der Suche nach der nächsten Überraschung. Materialintensiv und glamourös sind die Ausstellungsräume okkupiert und bezirzen die Sinne. Ist alles nur Dekoration oder sollen unsere überreizten Nerven sensibilisiert werden? Erst nach und nach erschließen sich die Details der Aufbauten und werfen Fragen auf. Dicht geflochtene Zöpfe fungieren als Absperrkordeln, ein Waschtisch mit Häkelarbeiten überzogen wandelt sich zu einem Altar und aus Duschköpfen quellen bunte Strickarbeiten wie barocke Arabesken.

Ein rundes Häkelkissen mit zentrierten bunten Kreisen, das an sechs Zipfeln aufgespannt an der Wand hängt, erinnert nicht sofort an einen Busen. Aber bei dieser knallbunten Größe braucht es auch nur einen, um Lebensfülle zu verkörpern. Kühlschränke, Föhne, Spiegel dienen als Bauelemente und werden zu neuen Formationen zusammengeführt. Diese Alltagsgegenstände verwandeln sich durch ihre Vervielfältigung in fantastische Skulpturen, kraftstrotzend und vital ist diese neue Ästhetik. Ein pustender Föhn ist gewöhnlich, richten sich zwanzig auf den Betrachter, so ist man verunsichert.

Die portugiesische Künstlerin (1971 in Paris geboren) und ihr Team verwenden gerne Haushaltsgegenstände, die sie zu diesen majestätischen Raumobjekten zusammensetzen und so die häusliche private Welt mit dem öffentlichen repräsentativen Leben verbinden. I want to break free – der Song von Freddy Mercury aus dem Jahr 1984 ist Titelgeber für die Ausstellung. Der Videoclip beginnt mit einer Szene in einem Küchenwohnraum, in dem Staub gesaugt wird, dann bricht die Ansicht auf und blendet in die Bühnenwelt über. Häuslich geborgene oder eingeengte Welten mit einer rein weiblichen Lebenswirklichkeit gleichzusetzen ist vereinfacht. Diese Ambivalenz steckt in jedem Menschen – praktisch oder schön, business oder familiär – diese Bereiche stehen nicht unvermeidlich nebeneinander, sondern verzahnen und beeinflussen sich gegenseitig.

Den weiten Eingangsbereich beherrscht eine riesige hängende pinkfarbene Stoffskulptur mit Bändern und Perlen behangen. Das aufgeblähte Kanalsystem verzweigt und verengt sich, um dann in einem Ballon zu enden, eine Raumstation, in der die Träume zu entfernten Galaxien entschwinden.

Nebenan schwingt ein raumgroßes Plastikherz von der Decke sacht zu den Klängen der Fadosängerin Amália Rodrigues. Das Viana-Herz, der traditionellen portugiesischen  Goldschmiedekunst entlehnt, hier ist es aus farbigem Plastikbesteck zusammengefügt. Die filigrane Struktur des Golddrahtes eines flammenden Herzens, ein Symbol für Liebe (ursprünglich das Herz Christi), durch einen Wegwerfartikel ersetzt, wirkt erstaunlich schön und leicht, aber auch zerbrechlich, so kann die Liebe sein.

clone tag: 6472809611558058790Der riesige Damenpump, aus polierten Stahlkochtöpfen und Deckel aufgebaut, nennt sich Betty Boop. Unverrückbar steht der sexy Schuh an seinem Platz. Diese überdimensionale Ausführung erzeugt eine leicht bedrohliche Spannung. Respekt wird eingefordert, denn eine Kollision könnte sehr schmerzhaft enden. Ein Stiletto für den großen Auftritt aus einfachen Kochtöpfen muss kein Gegensatz zu einem lustvollen Leben sein.

Diese expressive und sehr weibliche Künstlerin bringt die Räume zum Leuchten und verbreitet gute Laune – Home sweet home. Der plötzlichen Freude folgt durchaus gedankenvolles Nachsinnen gewohnte Pfade zu verlassen. Das Rätseln macht Spaß, verzweifeln muss hier niemand, ein Witz entlarvt manchmal schneller ein Klischee. In der winterlichen Kälte heizt Joana Vasconcelos in Strasbourg mächtig ein.

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Flores do Meu Desejo, 1996-2001

Die großen Objekte erfordern weite Räume, vielleicht finden sie auch eimal ihren Weg nach Deutschland oder Österreich, das Kunsthaus Bregenz könnte sie aufnehmen.

https://www.arte.tv/de/videos/085270-000-A/joana-vasconcelos-ueber-die-rolle-der-frau/

https://histoiresduniversites.wordpress.com/2018/10/22/j-vasconcelos-30-ans-en-2001/

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